RISTLA

Nadia Moling


Wenn zwei Künstler:innen in einer Ausstellung aufeinandertreffen, entsteht ein Dialog – in Formen, Gesten und Farben. Neugierig sucht dann die betrachtende Person nach Parallelen und Unterschieden, nach Verbindungen oder Kontrasten, nach einen wechselseitigen Einfluss der Arbeiten.

Auch in der Begegnung zwischen den Werken von Veronica Moroder und Jochen Hautzdorf gibt es Berührungspunkte: Die Dynamik zwischen den beiden künstlerischen Perspektiven lässt feine Wiederholungen und konstante Motive sichtbar werden.

Ein Beispiel dafür ist die formale Wiederholung einer bestimmten körperliche Geste: eine Hand, die den Fuß berühren will, eine Bewegung zum Boden hin.Dieses Motiv beobachten wir sowohl in einer Skulptur von Jochen Hautzdorf als auch in den Bildern von Veronica Moroder. Dabei geht es weniger um formale Ähnlichkeiten im engeren Sinne, sondern mehr um eine Entität, die in und mit ihrem räumlichen Kontext lebt und interagiert. Der Körper ist präsent, aber nicht zentral – vielmehr anonym, mehr Form als Körper – wortwörtlich.

Die Körper sind fragmentiert, und das bringt mich zu einem weiteren formalen Ansatz, den Moroder und Hautzdorf in ihrer Kunstsprache teilen: Die Fragmentierung wird als bewusster Gestaltungsansatz eingesetzt. Die Fragmente werden einzeln zusammengeführt, wie eine Collage.

In Jochen Hautzdorfs Skulpturen entsteht die Collage aus Körperteilen und Objekten. Man kann einen Arm und ein Bein beobachten, ein Gesicht – oder eine Maske? Der Körper ist präsent, hat aber in diesem Kontext trotz der naturgetreuen Darstellung nur wenig Lebendiges. Man kann ein Spiel mit der Anthropomorphie beobachten – einem Körperteil wird der Körper weggenommen oder einem Objekt wird ein Körper gegeben. Die Objekte sind oft Alltagsgegenstände, nicht nur in den großen Werken, die im Raum stehen, sondern auch in den kleinen Werken, die am Boden ausgestellt sind. Sie werden in einen neuen Kontext gestellt – manchmal gemeinsam, manchmal alleine. Objekte und Materialien werden nicht organisch oder spontan zusammengeführt, sondern bewusst komponiert und inszeniert. Damit entzieht sich der Künstler auch einer klaren Zuordnung.

Auch Veronica Moroders Werke zeugen von einem beinahe dramaturgischen Ansatz, einem In-Szene-Setzen und Ins-Licht-Rücken von Körper, Form und Raum. Die Farbe hat expressionistische Züge, und damit meine ich: unnatürlich, leuchtend und vor allem subjektiv. Der Körper ist im Bild präsent, wo er sich auf der gleichen Ebene mit dem begegnet, was ihn umgibt. Die Abwesenheit von Perspektive ist dabei eine bewusste Entscheidung. Die Welt, die sie mit ihrer Malerei schafft, ist eine ganz eigene. Es gibt keine Geschichte, es gibt nur die Leinwand, auf der Figuren mit leblosen Objekten und leuchtenden Farben treffen. Das erzeugt eine Atmosphäre von Ungewissheit und Neugier. Es ist ein Wechselspiel zwischen Konkretem und Abstraktem – ein Experiment mit Farbe und Form und dem, was dazwischen entsteht.

Im Raum finden wir eine Anlehnung an klassische Werke – sowohl in Veronicas als auch in Jochens Kunst. Diese Bezüge entstehen nicht unbedingt bewusst – es sind Automatismen. Bekannte Werke, Motive oder Haltungen werden aufgegriffen und transformiert.

An dieser Stelle kommen wir zurück zum Anfang des Textes mit dem Geste der Hand, die zum Fuß greift – vorhanden in Veronicas Malerei genauso wie in Jochens Skulpturen. Es sind Bezüge zum Kunstwerk des „Dornausziehers“ – einem antiken Motiv der bildenden Kunst. Und diese Figur ist der unsichtbare Mittelpunkt dieser Ausstellung. Es ist ein weiteres verbindendes Element zwischen den zwei ausgestellten Künstlern und zugleich auch im Titel enthalten: „Ristla“ ist das ladinische Wort für Splitter.

Mehr als ein Dialog ist die Ausstellung ein Aufeinandertreffen von Farben, Formen und Fragmenten, die gemeinsam einen neuen Kontext schaffen und im Austausch sehr gut funktionieren.